Hans Stock

14. Mai 1922 - 1972

Aus der Armee desertieren

Deutschland

Familie

Hans Stock wird 1922 in Berlin geboren. Er hat eine jüngere Schwester. Seine Eltern haben beide eine Kunstschule besucht. Der Vater arbeitet als Kunst- und Turnlehrer an einem Gymnasium.

Den Eltern ist Bildung wichtig, sie interessieren sich zudem für Kunst und Literatur. Die Familie unternimmt viele Bildungsreisen nach Italien.

Die Eltern lehnen den Nationalsozialismus von Anfang an ab. Sie sind jedoch nicht aktiv im Widerstand.

Jugend im Nationalsozialismus

Hans Stock besucht das Gymnasium. Wie viele andere Jugendliche tritt auch er in die „Hitler-Jugend“ ein. Er fühlt sich dort schnell als Außenseiter. Er lehnt die militärische Ausbildung und den Zwang zu unbedingtem Gehorsam ab. Seine persönlichen Freiheiten sind ihm wichtiger.

Nach seinem Abitur im März 1940 muss Hans Stock für sechs Monate den Reichsarbeitsdienst ableisten.

Soldat der Wehrmacht

Im April 1941 wird Hans Stock zur Wehrmacht einberufen. Durch persönliche Kontakte seiner Eltern wird er in der Hauptfilmstelle des Reichsluftfahrtministeriums in Berlin eingesetzt. So kann er zunächst einem Einsatz an der Front entgehen.

Im Frühjahr 1943 wird er in Belgien zum Meldegänger ausgebildet. In dieser Funktion ist er für die Übermittlung mitlitärischer Nachrichten zuständig. Während dieser Zeit erkennt Hans Stock, dass er nicht Teil dieses nationalsozialistischen Kriegs sein will.

Wann immer es möglich ist, liest er Bücher über Literatur und Kunstgeschichte und versucht so, dem Alltag zu entfliehen. Schon hier fasst Hans Stock den Entschluss, aus der Wehrmacht zu desertieren.

Kriegserlebnisse

Im Sommer 1943 wird Hans Stock nach Italien in den Kriegseinsatz versetzt. Seine Einheit ist dort an Kriegsverbrechen beteiligt. Er wird in Slowenien und Italien Zeuge, wie die Wehrmacht angebliche Partisanen ermordet und die einheimische Bevölkerung terrorisiert.

Die Brutalität und die Gleichgültigkeit der Wehrmacht gegenüber der Zivilbevölkerung schockieren ihn zutiefst. In zahlreichen Briefen an seine Familie findet er dafür deutliche Worte. Er beschreibt den Krieg als sinnlos und unmenschlich. Hans Stock weiht seine Familie in seine Fluchtpläne ein, die für ihn zunehmend konkreter werden.

Als er im September 1943 vom Tod seines engen Schulfreundes Wolfgang erfährt, bestärkt ihn das in seinem Vorhaben.

Desertion

Anfang Februar 1944 wagt Hans Stock in Italien die Flucht: Er gibt vor, Kabel von Telefonleitungen auf Kriegsschäden untersuchen zu wollen. Dabei kann er sich von seiner Truppe entfernen und in einer Hütte verstecken. Am nächsten Tag ergibt sich Hans Stock der US-Armee. Er wird ins amerikanische Kriegsgefangenenlager Camp Greeley im US-Bundesstaat Colorado gebracht.

Hans Stock empfindet die Kriegsgefangenschaft als Befreiung. Er muss sich nun nicht mehr an dem verbrecherischen Krieg Deutschlands beteiligen. Hans Stock ist in der Kriegsgefangenschaft ausreichend versorgt mit Lebensmitteln und hat Zugang zu Büchern, die ihm sehr wichtig sind.

Nach 1945

Im März 1946 kehrt Hans Stock aus der Kriegsgefangenschaft nach Deutschland zurück. Er lebt in Berlin, wo er 1972 stirbt.

Sein Briefwechsel mit der Familie während der Zeit an der Front und Kriegsgefangenschaft erscheint 2009 als Buch. Es sind rund 400 Briefe.

In Deutschland und Österreich erinnern einige Denkmale an Deserteure im Zweiten Weltkrieg. Die meisten von ihnen wurden ab den 1980er Jahren errichtet.

Desertion von Soldaten der deutschen Wehrmacht

Soldaten der Wehrmacht desertieren aus unterschiedlichen Motiven. Sie lehnen den Nationalsozialismus ab, empfinden den Krieg als sinnlos oder wollen nicht an Kriegsverbrechen mitwirken.

Von Desertion oder „Fahnenflucht“ spricht man, wenn sich ein Soldat unerlaubt von seiner Truppe entfernt. Dabei ist es egal, ob er im Kampfeinsatz den Anschluss an seine Truppe verliert oder dieser ganz bewusst fernbleibt.

Im Nationalsozialismus wird Desertion hart bestraft. Die harten Strafen sollen der Abschreckung dienen. Während des Zweiten Weltkriegs steht auf „Fahnenflucht” die Todesstrafe. Die Gerichte der Wehrmacht verurteilen insgesamt etwa 27.000 Menschen wegen Desertion. Bis Kriegsende werden etwa 17.000 Todesurteile vollstreckt.

Einige desertierte Soldaten ergeben sich den alliierten Truppen und kommen in Kriegsgefangenschaft oder schließen sich Partisanengruppen an. Andere halten sich versteckt und sind auf die Unterstützung von Helfenden angewiesen.

Im Nachkriegsdeutschland gelten Deserteure noch lange als „Verräter“ und „Feiglinge“. Die Urteile der Wehrmachtsjustiz werden erst im Jahr 2002 aufgehoben.