Alexandre Glasberg

17. März 1902 - 22. März 1981

Verstecke organisieren

Frankreich

Familie und Kindheit

Alexandre Glasberg wird 1902 in eine jüdische Familie in der heutigen Ukraine geboren. Er hat vier ältere und zwei jüngere Geschwister.

Alexandre Glasbergs Vater ist Geschäftsmann und Verwalter eines Mühlenbetriebs in dem kleinen Dorf Chortoryya. Seine Mutter kommt aus einer wohlhabenden Familie und legt viel Wert auf Bildung.

Studium und Beruf

Alexandre Glasberg macht 1919 seinen Schulabschluss am Gymnasium. Kurz darauf emigrieren die Eltern mit Alexandre und seinen jüngeren Geschwistern Adela und Victor nach Wien. Die politische Unsicherheit in ihrem Heimatland und die antijüdische Stimmung in der Bevölkerung sind mögliche Gründe dafür.

Alexandre Glasberg studiert in Wien Wirtschaftswissenschaft. Anschließend arbeitet er in verschiedenen Handelshäusern in Polen, Jugoslawien und Deutschland. In den folgenden Jahren wendet er sich dem katholischen Glauben zu. Im April 1932 zieht Alexandre Glasberg nach Paris. Er tritt zum Katholizismus über und wird im Juni 1933 getauft. Danach studiert er Theologie und wird 1938 Priester.

Hilfe für Verfolgte ab 1940

Zum Zeitpunkt des deutschen Überfalls auf Frankreich 1940 arbeitet Alexandre Glasberg in einer Kirchengemeinde in einem armen Stadtviertel Lyons.

Im Rahmen seiner Arbeit kümmert er sich auch um Menschen, die in Internierungslagern der Vichy-Regierung festgehalten werden. Das sind jüdische Flüchtlinge aus Deutschland und Österreich sowie ehemalige republikanische Kämpferinnen und Kämpfer aus dem Spanischen Bürgerkrieg.

Alexandre Glasberg gelingt es, hunderte Inhaftierte aus den Lagern heraus zu holen. Er bietet der Vichy-Regierung an, die Inhaftierten zu übernehmen und für ihre Versorgung aufzukommen. Dafür werden fünf Betreuungszentren errichtet, in denen die von ihm geretteten Menschen leben und arbeiten. Sie dürfen die Zentren zwar nicht verlassen, jedoch ist die Situation dort wesentlich humaner und sicherer als in den Internierungslagern.

Rettung jüdischer Kinder

Im Lager von Vénissieux in der Nähe von Lyon sind im Sommer 1942 etwa 1.000 Jüdinnen und Juden interniert, darunter 108 Kinder. Die Vichy-Regierung unterstützt mit der Internierung die antisemitische Verfolgung durch die Nationalsozialisten. Seit Frühjahr 1942 werden Jüdinnen und Juden aus Frankreich in die deutschen Vernichtungslager im besetzten Polen deportiert.

Gemeinsam mit dem wohltätigen Verein Amitié chrétienne entschließt sich Alexandre Glasberg, die Kinder aus dem Lager Vénissieux herauszuholen. Sie können die Eltern davon überzeugen, ihre Kinder der Gruppe Amitié chrétienne anzuvertrauen, um mit ihnen das Lager zu verlassen. Alexandre Glasberg organisiert Verstecke in verschiedenen Klöstern um Lyon. Alle Kinder können vor der Deportation gerettet werden.

Im Untergrund

Durch die Rettungsaktion der jüdischen Kinder ist Alexandre Glasberg gefährdet und muss untertauchen.

Im Frühjahr 1943 lebt er unter dem falschen Namen Elie Corvin als Priester in einem kleinen Dorf in der Nähe von Toulouse. Dort nimmt er Verbindung zu verschiedenen Widerstandsbewegungen auf.

Alexandre Glasberg ist im Sommer 1944 in einer Gruppe des Maquis aktiv. In dieser organisiert er unter anderem die Verteilung von Waffen, die mit Fallschirmen abgeworfen wurden. Auf diese Weise ist er an der Befreiung Frankreichs beteiligt.

Nach 1945

Auch nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs engagiert sich Alexandre Glasberg für Geflüchtete. Er gründet unter anderem eine Organisation, die den Überlebenden der nationalsozialistischen Konzentrationslager hilft. Später gründet er zudem Zentren für ältere Menschen und Menschen mit Behinderung.

In Vénissieux wird eine Straße nach Alexandre Glasberg benannt.

2004 wird er von der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem als Gerechter unter den Völkern geehrt.

Widerstand gegen die rassenpolitische Verfolgung

Seit der deutschen Besetzung Frankreichs im Mai 1940 verfolgen die Nationalsozialisten in der Nordzone ihre antisemitische und rassistische Politik. Die französische Vichy-Regierung führt in der Südzone ebenfalls antijüdische Maßnahmen durch. Ab dem Frühjahr 1942 deportieren die Nationalsozialisten Jüdinnen und Juden in die Vernichtungslager im deutsch besetzten Polen. Die Polizei der Vichy-Regierung unterstützt die Deportationen mit Razzien und Verhaftungen.

Als die Wehrmacht im November 1942 auch die Südzone Frankreichs besetzt, wird auch hier die Verfolgung von Jüdinnen und Juden verstärkt. Einzelne Menschen und Gruppen der Résistance versuchen, ihnen zu helfen.

Zu diesen Gruppen, die Jüdinnen und Juden helfen, gehören jüdische wie auch christliche Organisationen. Zunächst versuchen diese Gruppen, den jüdischen Gefangenen in den französischen Internierungslagern zu helfen. Sie verteilen Nahrungsmittel, leisten medizinische Hilfe und organisieren Schulunterricht für die Kinder im Lager. Bald werden sie jedoch auch im Untergrund aktiv. Sie stellen falsche Ausweise für die Flucht in die Schweiz oder nach Spanien her. Ab dem Sommer 1942 bemühen sich viele Organisationen besonders um die Rettung jüdischer Kinder. Sie organisieren für sie Verstecke in religiösen Einrichtungen oder bei Familien auf dem Land.

Von den bis zu 330.000 Jüdinnen und Juden, die Ende 1940 in Frankreich leben, können etwa drei Viertel die Verfolgung überleben. Etwa 80.000 der in Frankreich lebenden Jüdinnen und Juden werden ermordet, darunter mehr als 11.000 Kinder.