Germaine Tillion

30. Mai 1907 - 19. April 2008

Widerstandsnetzwerke bilden

Frankreich

Familie

Germaine Tillion wird 1907 in Allègre in der Auvergne geboren. Ihre Eltern sind begeistert von Kunst und verfassen zusammen bekannte Reiseführer.

Germaine Tillion und ihre zwei Jahre jüngere Schwester Françoise genießen eine moderne, weltoffene und liebevolle Erziehung.

1922 zieht die Familie nach Saint-Maur in die Nähe von Paris.

Studium und Auftrag in Algerien

Während ihrer Studienzeit in Paris beschäftigt sich Germaine Tillion mit vielen Fächern. Sie widmet sich dann aber der Ethnologie, der Erforschung verschiedener Kulturen. Sie besucht zahlreiche Ausstellungen und Theateraufführungen, fährt Zelten und betreibt Kanusport.

1934 geht Germaine Tillion nach Algerien, um als Ethnologin die Lebensweise der Bewohnerinnen und Bewohner in den Aurèsgebirgen zu dokumentieren.

Hilfe für Verfolgte

Im Juni 1940 ist Germaine Tillion wieder in Frankreich und erlebt vor Ort die Niederlage Frankreichs und den Schock des Waffenstillstands. Gemeinsam mit ihrer Mutter Emilie will sie verfolgten Menschen helfen. Sie leihen ihre Ausweispapiere einer jüdischen Familie, damit diese sie bei Polizeikontrollen vorzeigen kann.

Im Verein Union nationale des combattants coloniaux organisieren sie Fluchtwege aus der besetzten Zone für französische Soldaten, die aus deutscher Kriegsgefangenschaft geflohen sind. Auch Soldaten aus den französischen Kolonien ermöglichen sie die Flucht in die nicht-besetzte Zone. Diese sind aufgrund der rassistischen Ideologie der Nationalsozialisten einer besonders großen Gefahr ausgesetzt. Germaine Tillion stellt für sie falsche Papiere her und übermittelt Nachrichten. Mutter und Tochter verstecken die geflohenen Soldaten auch bei sich zu Hause.

Die Widerstandsgruppe des Musée de l’Homme

Germaine Tillion steht in Verbindung mit einer Widerstandsgruppe innerhalb des Pariser Musée de l’Homme. Dort schreibt sie ihre Doktorarbeit. Drei der Mitarbeitenden, Yvonne Oddon, Anatole Lewitski und Boris Vildé, vernetzen sich mit kleinen Widerstandsgruppen aus Paris und der besetzten Zone.

Sie sammeln Informationen, organisieren Fluchtwege nach England und drucken die Untergrundzeitung Résistance. Nach dem Krieg wird Germaine Tillion diese Vernetzung von kleinen Gruppen als Réseau du Musée de l’Homme (Netzwerk des Musée de l’Homme) bezeichnen. 

Nach der Verhaftung der drei Gründungsmitglieder im Frühjahr 1941 übernimmt Germaine Tillion die Leitung der Gruppe. Anatole Lewitski und Boris Vildé werden im Februar 1942 ermordet, Yvonne Oddon kann die Haft im Konzentrationslager Ravensbrück überleben.

Verhaftung und Deportation

Germaine Tillion wird im August 1942 in Paris festgenommen, am gleichen Tag wie ihre Mutter. Nach über einem Jahr Haft in französischen Gefängnissen wird Germaine Tillion im Oktober 1943 in das Konzentrationslager Ravensbrück in der Nähe von Berlin deportiert.

Um zu überleben, versucht Germaine Tillion das Konzentrationslager als Ethnologin zu betrachten und zu analysieren. Im Lager hält sie Vorträge für andere Gefangene, um sie intellektuell zu fordern. So sollen sie ihre Würde bewahren.

Germaine Tillion verfasst die Operette für die anderen Gefangenen, Le Verfügbar aux Enfers (Der „Verfügbare“ aus der Unterwelt). Das Manuskript kann sie in einer Kiste verstecken und bis zu ihrer Befreiung aufbewahren.

Germaine Tillions Mutter Emilie überlebt die Haft im Konzentrationslager Ravensbrück nicht. Sie wird am 2. März 1945 ermordet. Am 23. April 1945 wird Germaine Tillion vom schwedischen Roten Kreuz befreit.

Nach 1945 und Erinnerung

Nach Kriegsende setzt sich Germaine Tillion für die Aufarbeitung der NS-Verbrechen ein. Ihr Leben lang ist sie aktiv gegen Krieg, Ausgrenzung und Armut. In den 1950er Jahren unterstützt sie die Bestrebungen Algeriens, von Frankreich unabhängig zu werden. Sieengagiert sich für die Beendigung des französisch-algerischen Krieges. Germaine Tillion stirbt 2008 in der Nähe von Paris.

An Germaine Tillion wird vielfältig erinnert: Schulen, Bibliotheken und Straßen sind nach ihr benannt, über ihr Leben werden Filme und Bücher veröffentlicht.

2015 wird Erde aus ihrem Grab in den Pariser Panthéon gebracht. Die umgewidmete Kirche ist die nationale Gedenkstätte für berühmte Persönlichkeiten der französischen Geschichte.

Die Résistance in der besetzten Zone

Die Résistance in der besetzten Nordzone Frankreichs ist gekennzeichnet durch den frühen Widerstand einer Vielzahl kleiner Gruppen und die Vielfalt von Widerstandsaktionen. Ihre Aktionen richten sich gegen die deutsche Besatzungsmacht.

Schon kurz nach der deutschen Besetzung im Sommer 1940 verteilen die Menschen im Widerstand Flugblätter, drucken Zeitungen der Untergrundpresse oder planen Aktionen zur Rettung von Kriegsgefangenen. Im Laufe der Zeit schließen sich diese kleinen Gruppen mit anderen zusammen.

Diese Gruppen werden von der deutschen Besatzungsmacht mit aller Härte verfolgt und ihre Mitglieder sind vielen Repressionen ausgesetzt. Nach ein paar Monaten werden fast alle Gruppen zerschlagen. Sie organisieren sich neu und verstärken ihre Widerstandsaktivitäten.

Ende 1942 besetzen deutsche Truppen auch den Süden Frankreichs. Nun versuchen die verschiedenen Gruppen der Résistance sich in ganz Frankreich zusammenzuschließen. Es entsteht eine Widerstandsbewegung mit vielfältigen Formen des Widerstands, dazu gehören auch Anschläge auf Einrichtungen und Vertreter der Besatzungsmacht.